Die kulturhistorischen Wurzeln der Astronomie

Die Astronomie erwuchs vor Jahrtausenden den Erfordernissen des Alltags. Auch später, als im mittelalterlichen Europa die ersten Universitäten ihre Pforten öffneten, gehörte diese im wahrsten Sinne des Wortes steinalte Wissenschaft zu den Grundlagenfächern, welche als DIE SIEBEN FREIEN KÜNSTE bezeichnet wurden. Nachfolgend ist zu erfahren, welche Grundbedürfnisse es waren, die den Menschen veranlassten, gen Himmel zu schauen.

1. Welche Farbe hat ein Bär, der den Polarstern im Zenit erblickt? – Richtig. Der Bär ist weiß, denn er befindet sich in der Nähe des Nordpols. Wenn Sie eines Tages den Polarstern dicht über dem Horizont sehen, haben Sie gewiss Urlaub, denn Sie befinden sich nur wenig nördlich des Äquators. Ermittelt der Seefahrer eine Polhöhe von 18°, so kreuzt er auf 18° nördlicher Breite. Der Blick zum nächtlichen Himmel verrät uns also die geographische Breite unseres eigenen Standortes. Bei Kenntnis der genauen Uhrzeit - deshalb wurden vor Jahrhunderten die hochgenauen Schiffschronometer entwickelt - kann der Sternkundige dem Sternhimmel sogar die geografische Länge entnehmen. Falls sich Seefahrer nach zehn Tagen Sturm noch ihres Lebens erfreuen konnten, so wussten sie aber gewiss nicht, wohin sie Wasser- und Luftströmungen getrieben hatten. Die Sterne halfen weiter. Da der Polarstern stets im Norden steht, kann man des Nachts auch die Himmelsrichtungen bestimmen. Bedenkt man nun noch, dass das Kreuz des Südens auf den Himmelssüdpol weist, zeigen die Sterne rings um den Globus den Weg. Heute wird die Ortsbestimmung auf der Erde längst von Satellitennavigationssystemen erledigt. Da Technik aber ausfallen kann, gehört das “Sterneschießen” noch heute zur Ausbildung von Schiffsoffizieren.
Im Weltraum ist diese Technik allerdings nicht nutzbar. Satelliten und Raumsonden orientieren sich noch heute nach den Sternen. Dazu fotografieren sie mit mindestens einer Weitwinkelkamera alle paar Sekunden den Sternhimmel. Aus dem Vergleich mit einem elektronischen Sternkatalog errechnen sie ihre Position und Lage.

2. Blickt man täglich um Mitternacht nach Süden, so kann man dort von Monat zu Monat andere Sternbilder über dem Horizont sehen. Als es noch keine gedruckten Kalender gab, las man so die jeweilige Zeit - bis hin zu einem genauen Datum - vom Himmel ab. Mindestens aus dem antiken Griechenland und aus Ägypten ist überliefert, dass man mit dieser Methode Aussaatzeitpunkte festlegte.
Da die Sonne bei weitem nicht immer im Westen untergeht, sondern der Untergangspunkt im Verlaufe eines Jahres zwischen SW und NW hin und her pendelt, kann man das Datum auch am Auf- und Untergangspunkt der Sonne ablesen. Mit Visiereinrichtungen, von denen die berühmte Steinsetzung von Stonehenge in Südengland und das Sonnenobservatorium von Goseck 100 km westlich von Leipzig nur Beispiele sind, konnte man so wichtige Feste und Kulthandlungen gar auf den Tag genau bestimmen. Als man schließlich von diesem „automatischen Naturkalender“ zu schriftlichen Kalenderformen überging, gründeten sich diese abermals auf Himmelsbeobachtungen, denn es galt, die Jahreslänge (Umlaufdauer der Erde) und die Länge eines Tages (Rotationsdauer) so genau wie möglich zu bestimmen.

3. Entsprechend dem damaligen Weltbild, die gesamte Natur als belebt und von Göttern, Geistern und Dämonen erfüllt zu betrachten, sah man auch Sonne, Mond, Sterne und vor allem die Planeten als Gottheiten, welche direkt in das Geschehen auf der Erde eingreifen. Nun brauchte man nur noch die Bewegung der Gestirne zu verfolgen, um die Absicht der Götter zu erfahren. Dieser Glaube, mit Hilfe der Sterne in die Zukunft blicken zu können, war der Ausgangspunkt der Sterndeutung, der Astrologie. Auch sie regte zu zielstrebigen Himmelsbeobachtungen an und forcierte ungewollt das Nachdenken darüber, wer denn die Bewegung der Gestirne nun wirklich steuere. Doch erst im 17. Jahrhundert erkannte man die allmächtige Himmelslenkerin. Es ist die zwischen den Himmelskörpern wirkende Massenanziehung, die Gravitation. Damit zerplatzte die Illusion, man könne mit Hilfe der Gestirne in die Zukunft schauen. Schade eigentlich. Oder?

L.C.

Willkommen auf Lutz Clausnitzers Internetseiten