Der Komet 9P/Tempel 1
und seine Naherkundung

durch die NASA-Mission Deep Impact im Jahre2005

Der Komet
Am 3. April 1867 fand Ernst Wilhelm Leberecht Tempel in Marseille einen Kometen. „Er war sehr schwach und klein“, konnte mit Fernrohren aber dennoch viereinhalb Monate gesehen werden. Von allen 1867 entdeckten Kometen durchlief er als zweiter das Perihel und erhielt deshalb die vorläufige Bezeichnung „1867 II“. Man ermittelte eine Umlaufzeit von 5,65 Jahren und konnte für 1873 sein erneutes Auftauchen vorhersagen. Am 3. April 1878 konnte dies (ebenfalls in Marseille) durch Stephan bestätigt werden. Da seine Periodizität nun hinreichend gezeigt war, wurde der Komet - wie es damals üblich war - nach seinem Entdecker „Tempel“ genannt. Doch schon am 19. Juli des gleichen Jahres bestätigte sich die Periodizität eines weiteren ebenfalls von Tempel entdeckten Kometen. Damit brachte Wilhelm Tempel die Fachwelt in Verlegenheit. Sie musste erstmals einen zweiten Kometen nach dem gleichen Entdecker benennen. So wurde „Tempel“ zu „Tempel 1“ und der Neue hieß „Tempel 2“. Anfang der 90er Jahre des 20. Jh. überstieg die Zahl der kurzperiodischen Kometen die Zahl 100 und drängte auf eine Nummerierung. Diese entspricht im wesentlichen einer historisch-chronologischen Reihenfolge. Seit 1995 heißt der von der NASA anvisierte Komet Tempel 1 nun  9P/Tempel 1  (P steht für periodisch). Auch Tempel 2 = 10P/Tempel 2 stand schon im Blickpunkt der Raumfahrt. Die anderen Tempel’schen periodischen Kometen sind Tempel 3-Swift = 11P/Tempel-Swift-LINEAR und Tempel-Tuttle = 55P/Tempel-Tuttle, der Leonidenkomet.
Unter 9P/Tempel 1 hat man sich heute einen vier bis sechs Kilometer großen unregelmäßig geformten Körper vorzustellen, der minimal 1,5 AE und maximal 4,8 AE von der Sonne entfernt ist (AE = Astronomische Einheit = Abstand Sonne-Erde = 149,6 Mio km).

Das Projekt
Kometenkerne, die im inneren Bereich des Sonnensystems eine Gashülle (COMA = cometary atmosphere) und manchmal auch einen Schweif ausbilden, sind nach wie vor mit vielen Fragezeichen versehen. Deshalb sind derzeit mehrere Kometensonden in Vorbereitung bzw. schon unterwegs, um einige dieser rätselhaften Objekte aus der Nähe zu erkunden, Kometenstaub aufzusammeln oder gar auf ihrer Oberfläche zu landen. In diesem Rahmen  beschloss die NASA im Juli 1999, Anfang 2004 eine Raumsonde mit Kamera und IR-Spektrometer zum Kometen  9P/Tempel 1  zu schicken. Der Clou des Projekts ist ein 350 kg schwerer massiver Kupferzylinder.

 

DI-Boulder

So sieht die “Tempel-Sonde” auf der von der Sonne abgewandten Seite aus. Die links hinten angebrachte Wand ist auf der Rückseite mit Solarzellen bestückt . Davor sticht der große Kupferzylinder ins Auge, welcher ein “Olympiastadion” in die Oberfläche des Kometenkerns schlagen soll.



24 Stunden, bevor die Sonde den Kometen erreicht, soll der mit einer Visierkamera ausgestattete Zylinder von der Sonde getrennt werden, sich dann mit einer Geschwindigkeit von 10 Kilometer pro Sekunde in den Kometenkern bohren und dabei einen etwa 100 Meter großen und 20 Meter tiefen Krater schlagen. Die sich vom Impactor abstoßende Instrumentenplattform wird um 100 Meter pro Sekunde abgebremst und seitwärts abgelenkt. Deshalb wird sie zum Zeitpunkt der Detonation noch 10 000 Kilometer vom Kern entfernt sein und ihn erst 17 Minuten später  in einem Abstand von 500 Kilometer passieren. Dabei soll sie den Vorgang filmen und die stoffliche Zusammensetzung des herausgeschlagenen Kometenmaterials bestimmen.

WTDIbahn

Das Bild zeigt die Flugbahnen des Kupferprojektils und der vom Projektil befreiten Instrumentenplattfor.



Projektleiter ist Prof. Michael A'Hearn. Dr. Jochen Kissel vom Garchinger Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, der einzige Europäer des wissenschaftlichen Projektteams, wartet mit einem anschaulichen Vergleich auf: „Das ist ungefähr so, als würde man von Hannover aus das Olympiastadion in München beobachten – der Krater erreicht diese Dimension – wobei das kleinste Bildelement – Pixel – der Kamera gerade noch einzelne Zuschauer auf der Tribüne erkennen lässt. Nach etwa 15 Minuten ist das ganze Schauspiel vorbei“.
Dass der Kupfer-Impaktor beim Einschlag vollständig verdampft, wird das Infrarotspektrometer der Sonde nicht irritieren, denn in Kometenkernen sollte kein Kupfer vorkommen und kann deshalb zum Schluss herausgerechnet werden.
Der Name des Projekts liegt auf der Hand: Deep Impact. Zu dieser Bezeichnung soll es gekommen sein, noch bevor 1998 der gleichnamige Film, der mögliche Asteroideneinschläge auf die bewohnte Erde in Szene setzt, über die Leinwände lief.

Was wird von der Erde aus zu sehen sein?
Es wird erwartet, dass der Komet vor dem Einschlag des Kupferprojektils für einen irdischen Beobachter als Himmeskörper der zwölften Größenklassen erscheinen, d.h. selbst mit mittleren Fernrohren nur als kleiner verwaschener Lichtfleck zu sehen sein wird. Wenn das, was man bis jetzt über Kometenkerne weiß, einigermaßen stimmt, könnte die Helligkeit durch den Impakt auf die sechste oder gar fünfte Größenklasse anwachsen. Dann sollte man ihn in jedem Opernglas sehen können. Die professionellen irdischen Teleskope werden ein leichtes Spiel haben, das von dem freigeschlagenen Kometenmaterial ausgehende Licht zu spektroskopieren. Diese und die vor Ort gewonnenen Daten dürften dann zusammengenommen nicht nur die stoffliche Beschaffenheit der Kernoberfläche ans Tageslicht bringen, sondern – erstmals in der Geschichte der Kometenforschung – auch einen Blick in das Innere des Kometenkerns gestatten.

© Lutz Clausnitzer 2002

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